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Löten auf beschichteten Oberflächen

Verfasst: Do Nov 04, 2010 5:45 pm
von poco
Hallo zusammen.

Auch wenn die Aktivitäten in dem Forum nicht so riesig sind, erhoffe ich mir doch ein paar gute Tipps von den Experten hier.

Also erst mal zu meiner Sache:

Beschäftige mich mit dem Löten von Bauteilen. Die sind überwiegend aus Glas, aber können auch Keramik, Metall oder Kunststoff (PEEK) sein.

Meine erste Frage: Kennt sich da jemand mit Beschichtungen aus? Also es gibt ja eine Menge an Möglichkeiten Haftvermitter, Diffusionsbarrieren und Lötschicht aufzubringen, aber 1. findet man nie Angaben zur Schichtdicke 2. nicht für welches Material welche Schicht besonders geeignet ist und 3. welches Lot ich dafür verwenden sollte.

Meine zweite Frage: Elektrische Eigenschaften interessieren mich nicht. Ich will das die Fügepartner, auch unter Temperatur, zu 100% an Ort und Stelle bleiben. Gibt es da unterschiede, ob ich ein SnPb oder Ag oder Cu oder In benutze? AuSn soll auch sehr gute mechanische Eigenschaften haben.

Um die Sache nicht allzueinfach zu machen möchte ich auf Flussmittel verzichten :-)

Bin mal gespannt auf Antworten, Ratschläge oder vielleicht sogar Erfahrungen.

Vielen Dank schon einmal insbesondere an die Mitarbeiter von STANNOL. Weiß ja nicht, ob ihr dafür bezahlt werdet oder das in eurer Freizeit macht....aber auf jeden Fall ein super kompetentes Forum dank euch!

Gruß
Alexander

Verfasst: Mo Nov 08, 2010 4:57 pm
von Jens Gruse
Hallo Alexander,

erstmal danke für das Lob! Meistens werden die Einträge während der Arbeitszeit erstellt...

Zu deinen Fragen:
1) So allgemein ist das nicht zu beantworten. Es gibt nicht "das" Lot, sondern es muss etwas genauer betrachtet werden, was ich zu verlöten habe. Wenn ich z.B. auf Keramikhybriden eine Silberschicht als Leiterbahn aufgebrannt habe, diese dann mit einem BE verlöten möchte, kann es Sinn machen, ein Lot mit einer gewissen Vorsättigung von Silber zu verwenden, also z.B. Sn62Pb36Ag2 oder Sn96Ag4, wenn es bleifrei sein soll. Durch die "Vorsättigung" des Lotes wird während des Lötvorgangs das Silber von der Keramik weniger schnell aufgelöst, es bleibt mehr Silber dort, wo es hingehört, die intermetallische Phase wird zu Beginn etwas dünner sein (aber später im festen Zustand des Lotes auch wachsen).
Ebenso verhält es sich mit dem Cu: Ist davon etwas im Lot enthalten, löst sich nicht soviel aus der Cu-Leiterbahn heraus in der Zeit, in der die Lötstelle gebildet wird und das Lot flüssig ist.


2) Natürlich gibt es Unterschiede, was die Lote angeht, aber auch hier ist es nicht so einfach und pauschal zu beantworten. SnPb Legierungen sind z.B. duktil und können bei größeren Gewichten der Bauteile anfangen zu kriechen. Das ist bei den silberhaltigen bleifreien Loten wesentlich geringer ausgeprägt, außerdem habe ich hier aufgrund des erhöhten Schmelzpunktes auch andere thermische Beständigkeiten während der Benutzung.

3) auf Flussmittel verzichten ist je nach zu verlötender Oberfläche ein netter Wunsch, aber schwer zu realisieren. Die eierlegende Wollmilchsau kann ich leider nicht anbieten :D . Wenn ich Metalloxide auf den zu verlötenden Oberflächen habe, bildet sich keine intermetallische Phase aus, ich habe dann eine "Heftung" oder "kalte Lötstelle", das Lot klebt im günstigsten Fall auf dieser Oberfläche. Kompromissvorschlag zur Güte von mir: Wasserbasierendes, einfach zu reinigendes Flussmittel verwenden und anschließend einen einfachen Reinigungsprozess (Wasser mit leicht alkalischem Reiniger) verwenden, klar nachspülen, mit dest Wasser nachspülen und trocknen lassen. Vorschläge dazu gerne bei Bedarf.

Wenn du etwas detaillierter auf die Oberflächen eingehen kannst, kann ich auch etwas detaillierter darauf eingehen.........

Es gibt evtl. die Möglichkeit "flussmittelfrei" mittels Ultraschalllötstationen in kombination mit Spezialloten zu arbeiten, dieses Verfahren ist jedoch in der Regel kein klassisches Löten mit Bildung einer IMV. Es ist eine gute Heftung.

Verfasst: Di Nov 30, 2010 1:14 pm
von poco
Hatte leider keine Benahcrichtigung bekommen, dass jemand auf meinen Thread geantwortet hat. Deswegen schreibe ich erst jetzt. Sorry, bin natürlich weiterhin an Beiträge interessiert.

Also zu 1)
Mir ist schon klar, dass man bei auf Silber mit silberhaltigem Lot arbeiten sollte (das selbe natürlich historisch gesehen auch für Kupferspitzen).

Also wie es aussieht werden ich nun eine Ni/Au-Schicht haben, mit der ich arbeiten kann. Dann konkret die Frage zu dieser Schicht: Was macht die Schichtdicke, vor allem mech. gesehen, aus? Habe gelesen, dass gerade was die Schichtdicke und die Dicke der intermetallischen Phase oft weniger mehr ist. Die Au-Schicht dient da ja auch eigentlich nur als Anti-Oxidationsschicht und ist nach dem Aufschmelßen sowieso im Lot gelöst. Aber weiß eben immer noch nicht, welches Lot dort am besten mech. hält????

Betriebstemperaturen von max. 135 °C sprechen ja eher für ein Ag-Lot wegen der homologen Temperatur. Aber wenn ein Bleilot aufgrund der Duktilität und des besseren Kriechens die Spannungen besser aufnehmen kann, ist das ja vielleicht besser???

Oder was ich nun gefunden habe: "INNOLOT" als aktivierendes Lot???? Soll auch gute mech. Eigenschaften haben.

3)
Das mit dem Flussmittel ist mir grundsätlich schon klar. Nur ist es aufgrund der Konstruktion eigentlcih nicht möglich optische Flächen nach dem Löten von Flussmittelrückständen/-dämpfen/-kondensat zu reinigen. Oder ich muss es insitu absaugen, aber ob das 100% geht müsste ich dann testen.

Ich glaube aber das ich die Oberflächenspannung auch z.B. durch Isoprop senken könnte. Sollte auf einer Au-Oberfläche dann auch kein Problem darstellen, da diese nahezu Oxidfrei sein sollte.

Zu dem Ultraschalllöten hätte ich gerne nähere Informationen bzw. zu den Spezialloten. Datenblatt oder Link würde mir auch schon helfen.

Vielen Dank. Hoffe ich habe ein bischen mehr Licht in mein Problem gebracht.


PS: Kann mir jemand mal ganz einfach mal erklären, wie für mich der Widerspruch mit den intermetallischen Phasen zustande kommt??? Einerseits ist eine gute Lötung nur mit intermetallischen Phasen möglich, anderseits sind es genau die IP die dafür verantwortlich sind, dass Bauteile versagen (erst recht wenn die IP zu groß sind oder mit der Zeit wachsen). Habe leider auch in Büchern (z.B. Wasnik) nichts eindeutiges, für mich verständliches, darüber gefunden. Denn wenn es heißt
Wenn ich Metalloxide auf den zu verlötenden Oberflächen habe, bildet sich keine intermetallische Phase aus, ich habe dann eine "Heftung" oder "kalte Lötstelle", das Lot klebt im günstigsten Fall auf dieser Oberfläche.
würde es für mich im Umkehrschluß bedeuten, dass je größer meine IP ist, desto besser meine Festigkeit. Aber das ist ja nicht so!!!! :evil: Warum macht das Lot das mit mir?? Checke nicht, wo auf dieser Gradwanderung das Optimum liegt zwischen gar nicht und zu viele IP.

Vielen Dank.

Verfasst: Di Nov 30, 2010 4:45 pm
von Jens Gruse
Hallo Alexander,

anbei ein Kommentar aus unserem Labor zu Deinen Fragen:

---Zitat Anfang---
Die Frage ist immer: Was will ich erreichen? Manchmal sind die Lösungen widersprüchlich, dann muss man den besten Kompromiss finden.

Ni/Au auf Kupfer ist eine etablierte Oberfläche, Schichtdicken sind oft variabel, 3-8µ Ni +/- 0,5µ Au sind übliche Größenordnungen.

Darauf lötet man am besten mit SnAgCu-Lot oder INNOLOT, welche gute Festigkeitswerte aufbieten. Da thermische Zyklenfestigkeit gefragt ist, besonders geeignet für einen höheren T-Bereich, sind die "festen" Lote besser. Die "weichen" Lote, wie SnPb eher für den niederen T-Bereich, kriechen besser, ermüden aber bei höheren T schneller. Den Begriff "Aktivierendes Lot" gibt es (bei mir) nicht. Was soll da aktiviert werden?

Man lötet auf Ni, da Au sofort im Lot aufgenommen wird und an der Grenzfläche nicht mehr vorhanden ist. Die beim Löten entstehende IMP ist auf Ni recht dünn, aber sehr zerklüftet, wächst sehr langsam, verglichen mit IMP auf Cu. IMPs sind sehr spröde, extrem fest, was bei themozyklischer Belastung zum Bruch führen kann. daher: dünn ist besser.

Oxid muss weg, Flussmittel oder Plasmavorbehandlung hilft. Das Lot selbst hat auch Oxid auf der Oberfläche, das muss weg , die Chance auf Flussmittel gänzlich zu verzichten ist recht dünn, daher so wenig wie möglich auftragen, unter Schutzgas arbeiten, damit der böse Sauerstoff nicht dazwischen funkt und bei Löttemperatur noch zusätzlich für Oxidation sorgt. Alkohol (ISO oder Ethanol ) hilft nicht, es muss schon ein bischen Säure hinein! WEr auf den Arbeitsschutz keine Rücksicht nehmen muss, kann auch mit Ameisensäure (giftig, Gas) herumprobieren, ob es klappt. Ultraschalllöten wurde mal bei ERSA gemacht, erfolgreich???

Wer nicht löten will muss bonden, das geht auch ohne Flussmittel.
------Zitat Ende-----

Ein Tipp noch von mir zum Ultraschalllöten :
http://www.cerasolzer.com/

Verfasst: Di Nov 30, 2010 5:33 pm
von poco
Hi Jens,

hoffe ich habe dich nicht genervt mit meinem Text. Wenn doch, dann sorry, war nicht meine Absicht. Hat sich so ein bischen angehört bei dem Lesen deines Kommentars.

Was will ich erreichen??? Das ist eigentlich ziemlich klar: Eine Lotverbindung mit einer hohen mechanischen, d.h. positionsgetreue, Belastbarkeit unter Temperaturwechseln von 20-135 °C und das am besten Flussmittelfrei. Eben die Wollmilchsau.

Dein Tipp und den nehme ich mal als deine persönliche Erfahrung, Fachkompetenz (oder die des Labors) auf mit dem SnAgCu / INNOLOT (darf man das überhaupt bei Stannol schreiben :roll: ???) hat mich schon mal ein wenig weiter gebracht. Na wenn der eben nicht genau im Gegensatz zu der Aussage am Telefon eines Mitbewerbers steht, der mir eben Bleilot empfohlen hat. Genau mit dem Argument das SnPb als duktiler Werkstoff gut Spannungen aufnehmen könnte.
Die "weichen" Lote, wie SnPb eher für den niederen T-Bereich, kriechen besser, ermüden aber bei höheren T schneller.
Was heißt das??? Bedeutet das, dass es positiv ist, wenn ein Lot "besser kriecht"???? Ich dachte immer das Kriechen sei etwas negatives? :?:

Sorry, habe mich falsch ausgedrückt: Nicht "aktivierendes Lot" sondern "Reaktionslot". Wobei ich mir auch darunter, unter diesem Namen, ehrlich gesagt auch nichts genaueres vorstellen kann. Das INNOLOT wird eben aber als solches bezeichnet.

Vielen DAnk für die kleine Erläuterung zu den IMPs. Obwohl ich ja nach
IMPs sind sehr spröde, extrem fest, was bei themozyklischer Belastung zum Bruch führen kann. daher: dünn ist besser.
schon fast wieder schelmisch gesagt hätte: Wenn schlecht - dann weg! Aber das geht ja auch eben nicht. Gibt es denn da eine (Faust-)Formel oder einen Richtwert bei dem man sagen kann man hat ein gutes Verhältnis zu IMPs bzgl. genug/zu wenig????

Ja werde mir eine kleine Pulle Stickskoff beim Löten dazustellen. Werde dann so gut es geht den Arbeitsbereich damit fluten.

Anodisches Bonden??? In die Richtung hatte ich auch schon überlegt, aber ich denke, dass damit noch weniger mechanische Festigkeiten erreicht werden können (Teile sind ca. 15x5 mm).

Den Link schaue ich mir sofort mal an.

Vielen Dank erst einmal und einen schönen Feierabend.

Verfasst: Mi Dez 01, 2010 10:53 am
von Jens Gruse
Hallo Alexander,

nein, nein, das war nicht genervt, ich habe den Kommentar nur so übernommen, wie ich ihn erhalten habe.

Was das Bleilot angeht, ja, bis 120°C würde ich auch sagen, nimm das - aber bei bis 135°C sehe ich das schon etwas kritischer als der Wettbewerber.

Natürlich dürfen wir über das Innolot schreiben, da wir ja auch an der Entwicklung mit beteiligt waren. Auch wenn das heute nicht mehr unter unserem Namen im Programm ist.
Hier war eine der Zielsetzungen, möglichst hohe thermische Dauerbelastbarkeiten von bis zu 150°C an der Lötstelle zu erzielen.

Der Begriff "Reaktionslot" wird oftmals etwas fälschlich ausgelegt, im Prinzip ist hierbei eine Mischung aus 2 oder mehr verschieden zusammengesetzten Legierungen gemeint, meist in einer Lotpaste mit 2 verschiedenen Lotpulvern, die beim Aufschmelzen durch leicht unterschiedliche Schmelzpunkte/-bereiche ein bestimmtes Verhalten aufweisen. Erst während des Umschmelzens wird durch die Mischung in der flüssigen Phase die endgültige Legierung erzielt, so dass diese dann in der erkalteten Lötstelle vorhanden ist. Es hat leider nichts damit zu tun, dass das Lot schon reagiert und man daher kein Flussmittel benötigt.

In der Automobilindustrie z.B. werden die bleifreien SnAgCu Lote meist nur bis maximal 130 bis 135°C als Betriebstemperatur freigegeben bzw. eingesetzt, da ab dieser Temperatur die Degradation einer Lötstelle schnell zunimmt.

Bei den IMPs ist das so, dass eine Lötstelle ohne IMP halt keine ist, aber mit "zu viel" halt schnell kaputt geht. Bei normalen Lötvorgängen (Reflow 30-60sec in der flüssigen Phase, Hand-, Wellen und Selektivlöten eher 3-10sec in der flüssigen Phase) sind aber die Größenordnungen meist um die 0,5-1µm bei SnCu (auf Sn/Ni eher etwas dünner), was alles in einer guten Größenordnung liegt. Während Lagerung bei thermischer Belastung und natürlich auch im Einsatz wachsen diese IMPs, was natürlich die Bruchanfälligkeit der Lötstelle im Laufe der Alterung erhöht.

Es ist halt alles nicht so einfach, und leider haben wir die eierlegende Wollmilchsau auch nicht im Programm. Aber wir arbeiten dran..... :D