Erneutes Aufschmelzen des Lots

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Maggus
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Erneutes Aufschmelzen des Lots

Beitrag von Maggus » Mi Mai 28, 2014 5:31 pm

Hallo erst mal,
ich versuche mich kurz zu fassen. Beim Erstellen einer elektrischen und mechanischen Verbindung mittels Lot und Lötkolben soll versucht werden die Temperatur und Dauer des Prozess möglichst kurz zu halten. Unter anderem um die intermetallische Phase klein zu halten.
Bei Reparaturen von Lötstellen wird empfohlen das alte Zinn zu entfernen und frisches zu verwenden. Wenn es nun aber eine Lötstelle ist, die erst vor kurzem gelötet wurde, führt ein erneutes aufschmelzen des Lots unter Zugabe von Flussmittel jedoch zum selben Ergebnis. Warum kursiert das Gerücht das ein erneutes Aufschmelzen der Lötstelle diese schwächt? Die Schwächung liegt doch nicht am "alten" Lot, als vielmehr daran dass die Lötstelle erneut (stark) erhitzt wird oder bin ich auf dem Holzweg?

Besten Dank an denjenigen, der mich erleuchtet! =)
Firtie

Jens Gruse
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Beitrag von Jens Gruse » Mi Jun 04, 2014 10:49 am

Hallo Firtie,

dann versuche ich mal, der "Erleuchter" zu sein. Die intermetallische Phase in einer Lötstelle ist das, was wir für eine gute Ausbildung und Funktionalität einer Lötstelle brauchen. Ist die nicht da, habe ich "geheftet" oder "geklebt". Ist sie bereits ab 0,1-0,2µm da, habe ich zuverlässig gelötet. Die Bildung der IM (intermetallischen Phase) ist aber nach dem Löten nicht abgeschlossen, sondern diese Diffusion erfolgt solange weiter, wie Sn oder Cu im Überfluss vorhanden ist. Mit jeder Zeiteinheit bei definierter Temperatur wird die IM weiter wachsen, da in der Regel ausreichend Cu im Bereich der Leiterplatte und ausreichen Sn im Bereich der Lötstelle vorhanden ist. Das Wachstum erfolgt auch bei Raumtemperatur, allerdings hier sehr langsam. Wird das Lot bzw. die Lötstelle nun lange in der flüssigen Phase gehalten (bei Reparaturen oder wiederholten Reparaturen) wachsen diese Cu6Sn5/Cu3Sn Phasen. Je länger flüssig, desto stärker die Schichtstärke. Diese IM sind aber ein sehr sprödes Material. Je dicker die IM wird, desto eher kann die Lötstelle mechanisch geschädigt werden. Rissbildung in dicken, bei RT gewachsenen IM ist auch einer der klassischen Alterungserscheinungen einer Lötstelle.

Bei einer Reparatur, wenn ich das alte Lot entferne, z.B. mit einer Entlötlitze, lasse ich aber den größten Teil der IM auf dem Cu der Baugruppe zurück, das dies IM wesentlich höhere Schmelzpunkte haben. Ich kriege es so schnell gar nicht vom Cu der Baugruppe weg. Daher würde ich es recht pragmatisch angehen:
- wenn Reparatur notwendig, so kurz wie möglich mit richtigem Werkzeug entlöten, dann grob das alte Lot entfernen (hat auch oft einen Einfluss auf die Qualität der neuen Lötstelle: Stichwort Planarität!), und dann das neue Bauteil kurz und schnell einlöten. Wie viel des "alten Lotes" zurückbleibt, ist vielleicht nur der Geometrie geschuldet - es muss soweit entfernt werden, dass der erneute Einlötvorgang unproblematisch durchgeführt werden kann!

Frage: Die Schwächung liegt doch nicht am "alten" Lot, als vielmehr daran dass die Lötstelle erneut (stark) erhitzt wird oder bin ich auf dem Holzweg?

Antwort: Kurz und knapp zusammengefasst: Richtig, keine Holzweg! Die Schwächung erfolgt durch weitere Bildung der IM!

Ich hoffe, das reicht, sollte ich mehr Fragen aufgeworfen haben als gelöst, bitte einfach nach-haken....

Grüße
Jens
Freundliche Grüße

Jens Gruse
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